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08.04.2015 – BENZIN – Ruhe nach dem Sturm Abschiedstour 2015 – headCRASH Hamburg

Als um 21 Uhr das Licht im gut besuchten Kiez-Club headCRASH in Hamburg das Licht erlosch und ein Medley mit Abschiedshits erklang, startete die Abschiedstour von „Benzin“. Nach 10 Jahren ist also Schluss, doch vorher machten die Ulmer Punkrocker noch einmal eine kleine Tour durch drei Städte, mit denen die Band eine besondere Verbindung hatte. Nach dem Intro ging es direkt los und es folgten 100 Minuten Reise durch die vier Alben der Band, die zwischendurch sogar noch einen neuen Song präsentierte, der eigentlich für ein neues Album gedacht war.

Während des Konzerts merkte man jedoch nur wenig, dass die vier Baden-Würtemberger nach ihren drei Shows in Hamburg, Düsseldorf und in ihrer Heimatstadt Ulm die Band auflösen und nicht mehr auftreten werden. An diesem Abend gab es nur ein Gas und das war Vollgas, mit viel Spaß und Spielfreude, sodass es absolut schade ist, dass Benzin sich nun mit dem Konzert in Hamburg von ihren Fans an der Elbe endgültig verabschiedeten.

Vor dem Konzert im headCRASH hatten wir noch die Möglichkeit ein Abschiedsinterview mit BENZIN zu führen, welches wir Euch nicht vorenthalten möchten.

KonzertReview.de: Ihr habt im November das verkündet, was kein Fan von euren Fans hören wollte: Nach einer Tour mit Massendefekt und drei Abschiedskonzerten gibt es einen Schlussstrich unter dem Kapitel Benzin. Warum habt ihr diesen Schritt gemacht und ab wann stand für euch selbst fest, dass Benzin bald Geschichte sein wird?

Hutti: Kurz davor, tatsächlich. Wirklich erst kurz bevor wir das verkündet haben. Ich sag jetzt mal so 3 bis 4 Wochen vorher, die man aber auch braucht um die Entscheidung mal sacken zu lassen und ob noch einer einen „Coitus interruptus“ macht. Aber in diesem Fall war das wirklich so, dass es eine Entscheidung war, die auch letztlich auch unumgänglich war und es für uns vier auch die einzige Entscheidung  war, auf die wir uns hundertprozentig festlegen konnten. Alles andere wäre ein fauler Kompromiss gewesen. Es wäre dann auch nicht großartig weitergegangen.

Sebi: Ja, das stimmt! Wir waren einfach auch müde nach sehr intensiven 10 Jahren und es war unser gemeinsamer Nenner in erster Linie. Wir waren müde und K.O. , sodass die Kraft – und es ist ein Kraftaufwand – einfach nicht mehr ausgereicht hat, um jetzt nochmal richtig Vollgas zu geben. Und es war auch unser Credo, dass wir sagen: „Wenn wir die Band machen, dann mit Vollgas“ und das hätten wir nicht mehr sicher bringen können.

KonzertReview.de: Euer letztes Album „Chor der Kaputten“ ist von 2012 – also auch schon 3 Jahre her. War es dann irgendwann geplant, dass es das letzte Album bleiben sollte oder habt ihr auch über ein Abschiedsalbum nachgedacht?

Hutti: Nein, wir hatten ein gutes halbes Album, naja, fertig wäre jetzt übertrieben, aber wir hatten schon Songs geschrieben und Demos gemacht. Ich glaube es waren so 7 am Schluss, die fertig waren. Wir fanden das eigentlich auch alle ganz gut und es war der letzte Punkt, wo wir gesagt haben „Naja, Musik ist komplett Scheiße, das bringt’s nicht mehr“ (lacht) Also das war wirklich auch ein Punkt, wo wir gesagt haben, dass wir uns natürlich irgendwie weiterdefinieren müssen und hätten da auch noch viel Arbeit reinstecken müssen, aber der Plan war tatsächlich ein weiteres Album zu machen – also ursprünglich.

KonzertReview.de: Heute ist das erste Konzert der Abschiedstour. Ihr spielt 3 Konzerte in Hamburg, Düsseldorf und Ulm. Was hat man jetzt für ein Gefühl? Mit was für Gedanken geht man jetzt in dieses Konzert?

Andy: Wir haben ja jetzt ein weile nicht mehr live gespielt. Also ich freue mich auf heute Abend, endlich mal wieder zu spielen.

Hutti: Richtig, wir haben gut geprobt auf jeden Fall.

Sebi: Unsere Prämisse war eigentlich schon, dass wir da jetzt keine Trauerfeier veranstalten, sondern eigentlich schon normal irgendwie „Tschüss“ sagen wollen. Wir werden viele Wegbegleiter treffen und von daher überwiegt da die Freude. Aber keine Ahnung, was dann spätestens in Ulm ist, wo dann übermorgen , wenn wir dann da echt auf der Bühne stehen, dann denken: „Okay, jetzt stehen wir unmittelbar vor dem letzten Atemzug dieser Band“ Keine Ahnung, da kann auch sein, dass da andere Gefühle mitspielen.

Simon: Aber jetzt für’s Erste haben wir einfach Bock drauf.

Hutti: Ja genau. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass es echt emotional wird, an einem gewissen Punkt. Ich hatte schon vor unter Einsatz von Tränengas zu proben, um zu teste wie man singen kann, wenn man heult. (lacht) Nein, aber mal gucken, was kommt. Ich kann es auch noch nicht sagen. Die heutige Show wird noch sehr konzentriert sein. Wir haben zwar gut geprobt, aber wie Andi schon sagte, wir lange nicht mehr gespielt haben. Da muss man dann halt schon noch ein Bisschen konzentriert sein.

KonzertReview.de: Ich habe es mal „Auflösen oder Pause auf unbestimmte Zeit genannt“. Ist es in Ulm wirklich das aller letzte Konzert von Benzin überhaupt oder lasst ihr euch doch noch so ein kleines Hintertürchen auf, dass wenn ihr in ein paar Jahren sagt: „Okay, wir haben nochmal Bock zusammen zu spielen“?

Sebi: Das ist montan eigentlich nicht vorstellbar. Uns war dieses Ding auch immer so wichtig, dass wir uns unglaubwürdig machen würden, wie so eine Mickey-Mouse-Veranstaltung. Dafür war uns das hier einfach zu wichtig und wir haben jetzt auch in den letzte Wochen und Monaten gemerkt, dass es ganz viele da draußen gab, denen das auch ganz wichtig war. Es wäre ja auch irgendwie geschmacklos mit Dollar-Zeichen in den Augen unsere Reunion zu planen.

Hutti: Unsere Anwälte haben uns auch geraten, wir sollen noch nicht davon sprechen, bevor die letzten Konzerte vorbei sind. (Gelächter in der Runde). Nein, nein, es ist wirklich aktuell gar nicht vorstellbar.

KonzertReview.de: 10 Jahre Benzin heißt ja auch gleichzeitig 10 Jahre auf Tour. Gibt es Momente, die ihr an dem Band- bzw. Tourleben vermissen werdet?

Hutti: Ja, ich auf jeden Fall. Aber ich bin ja auch der Einzige, der keine Familie oder Kinder im Schlepptau hat. Daher glaube ich, dass bei mir die Situation doch erst mal am meisten fehlen wird.

KonzertReview.de: Was denn vor allem?

Hutti: Naja, ich bin überfordert, wenn ich Samstag/Sonntag daheim sitze und einfach Freizeit habe. Das überfordert mich völlig. mal gucken, ich habe es die letzte Zeit tatsächlich genossen, aber auch weil ich wusste, da kommt nochmal was. Deswegen würde ich jetzt auch nicht ausschließen, dass ich noch was anderes machen würde – Heißt: Musikalisch oder Angeln, zum Beispiel… (lacht) Nein, aber irgendwas werde ich mir natürlich suchen. Mir wird es echt fehlen. Aber die Frage gebe ich einfach nochmal weiter…

(Schweigen in der Runde…)

Simon: Das Musik machen an sich. Mit hat vor allem das Aufnehmen echt viel Spaß gemacht. Wenn du am Anfang da stehst und hast nichts auf Band und nachher baut sich so ein Song auf, klingt dann danach gut und das ist genau das, was mir immer am meisten Spaß gemacht hat. Man hat sich da halt konzentrieren können auf das, worauf es ankommt. Jetzt beim Touren ist es halt so, jetzt sind haben wir auch schon wieder 6 Stunden im Bus gesessen…

Hutti: …na 6 ist gut…

Simon: … 7?

Hutti: Naja, fast 8!

Simon: Egal, jedenfalls genau diese Zeit werde ich nicht vermissen, weil es einfach tote Zeit ist. Ich kann da nicht so gut lesen, ich kann da nicht arbeiten, ich kann da einfach nix machen.

KonzertReview.de: Das wäre jetzt schon meine nächste Frage gewesen: WAs werdet ihr denn überhaupt nicht vermissen?

Andy: Ja, auf jeden Fall Bus fahren.

Hutti: Soundcheck!

Sebi: Es ist schon ein Bisschen so, dass wir in den letzte Jahren nicht nur noch Musik machen, sondern es gab vielen anderen Krempel und das hatte dann schon, auch als keine riesen Band, den Anspruch, dass wir auch versucht haben systematisch mit dem Thema umzugehen, dass wir halt überlegt haben, wie viel wir mit der Industrie zu tun hatten, mit irgendwelchen Firmen, was weiß ich… Da gab es Booking-Agenturen, Label und so weiter. Genau das ist so Zeug, das hat mich auch immer recht schnell illusioniert und da gab es auch immer in der Vergangenheit so Momente, wo ich dann dachte: „Ey, das hat mit dem so gar nichts zu tun, was ich eigentlich machen wollte“ Ich will dann eher Songs schreiben, im Proberaum spielen und auch einfach auf der Bühne stehen und das zu spielen. Aber es gab eben auch ganz viele andere Themen, die dazu gehören.

KonzertReview.de: In 10 Jahren ist natürlich auch viel passiert. Gibt es ein paar Anekdoten oder Lieblingsgeschichten, die ihr später noch euren Kindern und Enkeln erzählen werdet?

Hutti: Wir sind ja jetzt an dem Punkt, wo es für alles ein „letztes Mal“ in dieser Bandkonstellation gibt und da kommen wir gerade ständig an Anekdoten vorbei. Vorhin zum Beispiel, als wir in Hamburg reingefahren sind kam und ein Riesen-Krach mit unserem ersten Management wieder in den Sinn vor 8 Jahren. Das ist dann schon ziemlich spannend oder wie man noch mit ’nem Bierkasten durch die Stadt gegangen ist. Wir hatten vorgestern erst eine Geschichte aus Rumänien erzählt, eines meiner ersten Konzerte mit der Band, wo mir von einem rumänischen Backliner das Schlagzeug abgebaut wurde, während ich noch gespielt habe – also immer mal ein Becken weniger und dann noch eins weniger, wo am Ende nur noch die Base Drum und ’ne Snare da stand. Wir wurden trotzdem nach dem Konzert von der Polizei wegeskortiert, weil da irgendwie 10.000 Verrückte waren, die dachten wir wären Rammstein oder Scooter oder so, also eine richtig große Nummer. Uns wurden dann echt so Kinder hingehalten auf denen wir unterschreiben sollten, Brüste – wobei sich das später relativiert hatte, weil es eine Prostituierte war, wie wir im Nachhinein erfahren durften. Da war meine Freude dann etwas getrübt leider, aber das war an Skurrilität kaum zu überbieten. Und davon würde es jetzt einen Abend füllenden Schatz an Anekdoten geben. Die ganzen merkwürdigen, kaputten, interessanten und vor allem individuellen Gestalten, die man auf Tour so trifft, die werden mir auch fehlen.

Sebi: Ja absolut. Wobei wir erzählen uns lieber die Geschichten, wo irgendwas total skurril war, als die Geschichten, wo einfach alles so perfekt war. Das Konzert vor 4.000 Leuten, was echt so megamäßig war, taucht halt nicht so oft auf, wie solche Schoten.

KonzertReview.de: Dann kommen wir auch schon zum Ende und zu unseren beiden besonderen Fragen: Gibt es eigene, von euch besuchte Konzerte anderer Künstler, die für euch besonders in Erinnerung geblieben sind?

Hutti: Die Frage ist, wo fängt man an?!

Sebi: Bei mir ist es so, dass wir am Montag ein Interview bei einem Radio in Ulm hatten und da ist ja der „Büchsenstadl“, eine ganz kleine Konzertlocation direkt unter dem Studio und da habe ich ganz kurz mit Andy oder Simon kurz drüber gesprochen, dass wir da die Beatsteaks und die Donots gesehen haben. Das war halt so ein Ding, wo wir dann da standen und gedachte haben: „Das ist absolut geil und toppt einfach alles jetzt“ und wenn man jetzt aus der Retro-Perspektive weiß, was aus diesen Bands passiert ist, macht einen das noch glücklicher sowas erlebt zu haben. Und das war halt, vor allem was das Live-Gefühl anbelangt absolut bahnbrechend für uns, weil es auch bei solchen Bands halt immer völlig authentisch gewirkt hat. Und in der Hinsicht waren das einfach Vorbilder.

Hutti: Man sieht aber echt vieles Gutes. Als musikinteressierter Mensch sehe ich echt häufig Sachen, die ich interessant und spannend finde. Ich wohne ja inzwischen in Berlin und da spielt halt jeden Abend eine gute Band und da muss man eigentlich schon eher Suchen, dass da mal totale Grütze spielt. (lacht) Ich war letzte Woche erst bei Olli Schulz und das war auch überraschend gut.

KonzertReview.de: Dann drehen wir den Spieß nochmal um: Gibt es auch eigene Konzerte aus 10 Jahren und ihr habt ja nun auch einige gespielt? Ihr habt gerade schon das Konzert in Rumänien angesprochen und das Konzert vor 4.000 Leuten. Gibt es da noch andere, die euch in Erinnerung bleiben werden?

Hutti: Nun ja, da gibt’s einige. Ich finde, diese ganze Tour mit Madsen speziell das Konzert in Mannheim, schon krass, wie wir da empfangen wurden und wie die Leute uns da abgefeiert haben.

Sebi: Auch Linz, zum Beispiel!

Hutti: Stimmt! Linz! Das war völlig überraschend.

Sebi: Dann waren das aber auch diese ganzen Release-Partys. Man arbeitet lange an einer Platte und dann hat man, quasi wie bei einer Geburt, diesen fetten Batzen endlich mal rausgedrückt. Dann ist es da und die Konzerte waren immer mit einer ganz krassen Erleichterung verbunden und dann war das auch noch bei uns im Roxy in Ulm, also zu Hause. Man steht dann da oben und sieht so viele Freunde und Bekannte und das ist dann immer ein richtig gutes Gefühl .

Hutti: Ich fand auch die Show in Köln 2012 direkt einen Tag nach der Release-Party sehr gut. Man kommt da direkt von der Relase-Party mit einem unfassbar euphorischen Gefühl, denn da waren über 600 Leute da, und du kommst dann nach Köln und spielst im kleinen Underground und weißt halt nicht so richtig, was dich da erwartet. Und genau das Ding war dann auch total voll. Da passen nun keine 600 rein, das ist klar, aber das war auch echt cool und ein sehr euphorischer Abend. Ein sehr schönes Konzert.

Simon: … bis auf die Tatsache, dass wir irgendwann kein Bier mehr bekommen haben.

Hutti: Echt? Ach jaaaaaaa, stimmt!

Andy: Scheiß Konzert!! (Gelächter)

Hutti: Wir hatten da mit einer Ska-Band gespielt und der Veranstalter hat halt trotzdem nur so viel Bier hingestellt, wie für ein Trio! (lacht) Das war dann schon ein Bisschen unglücklich.

Simon: Aber dann sind da auch Konzerte wie in Marburg dabei, da waren 4 Leute da. Das war definitiv nicht geil. Aber es ist einfach so ein Ding, da hast du gedacht, dass du mittlerweile so einen Status, wo dann mindestens 20 Leute kommen und dann sind halt 4 da. Das ist dann echt bitter. Das auch das sind eben Konzerte, die bleiben einem echt in Erinnerung – für mich eins der eindringlichsten Ereignisse in den letzten Jahren gewesen.

KonzertReview.de: Das war es schon. Vielen, vielen Dank!

Hutti: Nein, wir haben zu danken!

Das Interview führte Jacques-Marcel Lüddecke

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